Höhere Tochter und bekennender Blaustrumpf

SZ - 20.05.2011

Rinteln. Stadtführungen in Kostümen bestimmter Rintelner  Epochen erfreuen sich großer Beliebtheit, an diesem Samstag kommt eine neue hinzu. Karin Gerhardt schlüpft in das aus dem Michaelis-Spektakel bekannte Kostüm der Alma Bernhardine Stallmann, einer höheren Tochter und bekennendem Blaustrumpf (Emanzipierte) aus der Zeit um 1900. Was ist von dieser Neuerung zu erwarten? Unser Redakteur Dietrich Lange sprach mit der Stadtführerin.

Karin Gerhardt als Alma Stallmann

Frau Gerhardt, warum eine neue Figur bei den offenen Führungen?

Wir Stadtführer machen das ja schon seit vier Jahren von Mai bis Oktober. Führungen mit Personen der Zeitgeschichte, das ist bei Gästen nach wie vor beliebt, läuft sich aber langsam ein bisschen tot. Darum wollen wir zwei neue Führungen anbieten.

Sie starten am Samstag um 16 Uhr am Nachtwächter als Alma Bernhardine Stallmann. Wer ist das?

Eine typische Frau der Zeit um 1900. Erzogen an einer Schule für höhere Töchter, freiheitlich denkend und unangepasst. Sie plaudert davon, wie das Leben zu ihrer Zeit in ihrer Heimatstadt war. Rinteln erwachte damals, Frauen engagierten sich auf einmal in politischen Bewegungen, die die Gesellschaft verändern wollten. Frauen wollten das Wahlrecht.

Und wie ging es Rinteln damals sonst so?

Seit ein paar Jahren gab es die Eisenbahn, die Industrialisierung ließ sich nicht mehr aufhalten. Die Stadt veränderte ihr Gesicht. Plötzlich gab es Vereine, das Zusammenleben der Menschen wandelte sich. An den besonderen Orten ihrer Stadt erzählt Alma gern davon.

Wird Alma sich als bekennender Blaustrumpf besonders den Frauen widmen?

Ja, sie wird erzählen und zeigen, welche Schulen den Mädchen offen standen, wie schwer es für sie war, ein Gymnasium oder gar eine Universität zu besuchen. Mädchen brauchten damals keine Schulbildung, die schadet nur. So dachte damals die große Mehrheit. Viel Spott und Ärger bekam Alma zu spüren, denn sie engagierte sich für eine bessere Mädchenerziehung. Deshalb schimpfte man sie einen Blaustrumpf, damals ein Schimpfwort für emanzipierte Frauen.

Und was ist noch zu hören?

Bei dem Rollenexperiment am Samstag werden auch Fragen beantwortet wie: Wo war damals die AOK, wo die letzte Hinrichtung? Seit wann gibt es eine deutschlandweit einheitliche Zeit auch in Rinteln? Wann kam die Industriealisierung und wo?

Die Industrie zog ja zunächst auf die Nordseite der Weser. Verlässt die Stadtführung also die Altstadt?

Nein, das würde zu weit führen. Der Blick auf die Nordstadt muss reichen, wir haben ja nur eineinhalb Stunden für die Führung.

Und tragen Sie ein neues Kostüm?

Nein, ich nehme das aus dem Michaelis-Spektakel im Herbst.

Können Sie schon etwas zu der anderen neuen Führungsfigur sagen?

Ja, es sind die beiden Frauen Lisbeth und Frieda, die später im Jahr eine Führung zu Sprichwörtern machen. Die Sprichwörter werden an Beispielen aus der Architektur der Altstadt erklärt. Wir sind drei Stadtführerinnen, die etwas Neues ausprobierten wollen. Unser Herz schlägt darür, diese Stadt so interessant und vielfältig wie möglich zu zeigen.

Quelle: http://www.schaumburger-zeitung.de/